Kids of Karakul

Völlig erschöpft steigen wir vom Rad – es ist merklich ruhig, fast vollkommene Lärmfreiheit. Die einzigen Geräusche, die man wahrnimmt, sind kleine Kinder, die miteinander spielen. Die Neugierde ist groß, als sie uns entdecken, und beobachten uns fortan auf Schritt und Tritt.

Wir sind in Karakul, einer kleinen Siedlung am Ostufer des gleichnamigen Sees in der autonomen Provinz Berg-Badachschan (Tadschikistan). Kirgisen leben in dieser kleinen Gemeinde, die ihr Leben hier als Nomaden verbringen und Viehwirtschaft mit Yaks, Ziegen und Schafen betreiben. Nach Zusammenfall der UdSSR und Wiederherstellung der ursprünglichen Grenzen konnten gewanderte Familien nicht mehr dahin zurück, wo sie einst herkamen. Deswegen leben heute noch viele Kirgisen im östlichen Teil von Tadschikistan. Ihre Häuser bestehen aus selbst-geformten Ziegeln aus Lehm, ein ausgesprochen ideales Material, was hier von der Natur geborgt wird. Die weißen Außenanstriche der Lehmhütten geben einen wunderbaren Kontrast zur umgebenden Berg- und Seekulisse. Es sind die höchsten Berge des Landes und einer der höchstgelegene Seen in Tadschikistan und sogar der Welt. Sein dunkles Brackwasser, was ihm auch seinen Namen gab (Kara Kul = schwarzer See), schafft einen grandiosen Kontrast zu den umgebenden schneebedeckten Bergen, zum blauen Himmel und der wüsten Weite. Geformt wurde diese atemberaubende Landschaft durch einen Meteoriteneinschlag vor mehreren Millionen Jahren und gehört zum “Tajik National Park”, einer der schönsten und verlassensten Regionen Zentralasien.

Es scheint ein hartes Leben hier oben auf über 3900m zu sein. Es gibt keine Stromversorgung und an fließendes Wasser ist hier auch nicht zu denken. Lediglich kleine Solarkollektoren sorgen für etwas immer wieder flackerndes Licht am Abend. Sind viele Gäste im Haus, so borgt man sich einen der wenigen Dieselgeneratoren vom Nachbarn. Das Wasser wird aus Brunnen geholt und mit Kannen, Kanistern und Eimern zum Haus gebracht. Immer wieder vernimmt man einen leicht unangenehmen lieblichen Geruch von schwelendem Yakdung, welcher als Hauptbrennstoff und Heizmaterial eingesetzt wird. Man kann sich wohl kaum eine bessere Ressourcenorientierung in den kargen und baumlosen Hochebenen erdenken. Für uns ist es fast nicht vorstellbar, wie hart das Leben hier im Winter sein muss. Man kann es den wettergegerbte, rötlichen Gesichtern ablesen und lässt es uns nur erahnen.

Wir sind erstaunt über das große Interesse der Einheimischen an uns und ihren Wissensdurst. So wird unser Reiseführer von unserer HomeStay-Wirtin sehr genau unter die Lupe genommen und der letzte Teil, der Sprachführer sogar abgeschrieben, um auf einen Besuch weiterer Reisenden vorbereitet zu sein.

Wir merken nach Verlassen von Karakul schnell, dass es ein sonderbarer Ort, völlig ab von Zeit und Raum ist. Desolat, wild und isoliert, aber dennoch ein Ort mit glücklichen und den gastfreundlichsten Menschen. Jeder von uns sollte einmal die Möglichkeit haben, solch einen Ort besuchen zu dürfen – weit ab vom digitalen Leben und den alltäglichen Problemen, die uns herumtreiben.

 

Tobi

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert